Mittwoch, 19. August 2015

Deutschland = Pornos

Nach drei Tagen Wladiwostok hat man schon ein paar kulturelle Eindrücke gewonnen.


Fotos zu den Punkten hier: 
https://www.dropbox.com/sh/p5fgsyic7sscwrm/AAB2j5ros4Do4Dfq-a4EET1-a?dl=0
0. (war noch auf dem Moskauer Flughafen): Es gibt tatsächlich KAVIAR-AUTOMATEN!!!
1. Mittlerweile haben mir das so viele Russen gesagt, dass ich konkludent sagen kann: Alle Russen haben die Konnotation Deutschland = Pornos. Das liegt daran, dass in den 90ern die ersten Pornos in Russland alte Videokassetten aus Deutschland waren. Alle Russen können daher Sachen sagen wie “Das ist fantastisch!” (damit es sich reimt, sagen sie eher “Dastisch fantastisch”, manche sogar “Oh ja, tiefer!”

2. Kauern. Kann ich nicht, ich falle konstant nach hinten um. Aber hier können das alle. Gemein! So auch der Typ, der es schaffte, in Absenz eines Korkenziehers die Weinflasche mit dem Turnschuh seines Freundes und vielen Schlägen gegen die Wand zu öffnen. Polak potrafi, ale Rosjan tez!

3. Sanktionen - so kein Käse. Auf die Frage, was es in Wladiwostok nicht gebe, meinte eine Englischlehrerin: “Französischen Käse gibt es seit den Sanktionen wegen der Krim-Annexion/Ukraine-Krieg nicht mehr, und ich vermisse ihn total, denn der russische Käse ist einfach nicht gut, es ist wie ein Stück Gummi und ohne Geschmack.” Alkohol aus Europa ist jedoch in rauen Mengen auch hier weiter zu kaufen. Im Weingeschäft, wo die Spirituosin arbeitet, konnte man Wein aus der ganzen Welt kaufen, sogar aus Deutschland…

4. Die Modellinsel. Gestern war ich mit einem Ehepaar auf “Russkij Ostrow”, der “Russischen Insel” südlich von Wladiwostok, einem ehemaligen Militärsperrgebiet, auf der sich der riesige Uni-Campus der neuen “Föderalen Fernöstlichen Universität” befindet. Die Insel ist ein wunderschön grünes Fleckchen mit vielen Spazier- und Wanderwegen (sogar Mountainbiker gab es da!), schönen Kliffen und Wäldern, zum Großteil natürlich, zum Teil aber auch in japanisch anmutende Parklandschaften mit kleinen Bächen und Wasserfällen umgestaltet. Die russische Regierung hat hier Unsummen investiert, um die verschiedenen kleineren Unis in der Gegend zu einer großen Uni zusammenzulegen und gleichsam eine Art Modellstadt mit Park zu errichten. Alles sehr sauber, sehr neu und kein Vergleich zum sonstigen russischen Alltag. Diese Insel könnte auch in Norwegen sein.

5. “Malenkaja pobjeda dlja tjebja - bolschaja pobjeda dlja goroda!” Müll in Mülleimer zu tun, fällt nicht nur den Westeuropäern immer schwerer. Ich frage mich manchmal, wie unmöglich selbst Zürich aussehen würde, wenn da nicht täglich die Straßen gereinigt würden. Selbst in die Limmat schmeißen die Leute reihenweise Flaschen und Plastikmüll. Die Russen sind aber - zumindest war das mein Eindruck bei meiner letzten Reise - besonders unglimpflich: In ewiger Erinnerung wird mir die müllübersäte Wiese für Reisegruppen im traumhaft schönen Naturschutzgebiet des Wolgadeltas beim Kaspischen Meer in Erinnerung bleiben, oder der Freund meiner Bekannten aus Donetsk bei Rostow, der seine Colaflasche im Park trank und danach einfach in die Hecke hinter ihm warf - obwohl der nächste Mülleimer ein paar Meter weiter stand! 

In jedem Fall versucht die Wladiwostoker Stadt dem entgegenzuwirken (die Stadt ist übrigens für russische Verhältnisse recht sauber), indem sie Leute dazu inzentiviert, ihren Müll wie beim Basketball in den Korb zu stopfen und danach ihren “Treffer” oder gar ihren “Sieg” zu feiern. Man liest Sachen wie “Triff den Korb, nicht die Natur!” oder den eingangs erwähnten Spruch “Malenkaja pobjeda dlja Tjebja - bolschaja pobjeda dlja goroda” -> “ein kleiner Sieg für dich - ein großer Sieg für die Stadt”.

6. Müll, die zweite. Mit dem Ehepaar auf der Russkij Ostrow hatte ich noch eine interessante Unterhaltung über Müll. Die Frau meinte, sie habe gehört, dass es in Deutschland Automaten gebe, wo man Plastikflaschen reinsteckt, und die gäben einem dann Geld für jede Flasche raus. Das fanden sie recht verwunderlich. Ich habe ihr dann natürlich einen Vortrag gehalten darüber, wie beknackt es ist, dass davon manche Flaschen (Saft) ausgenommen sind, und dass es sogar Pfand-Flaschen gibt, die gar mehrere Male einfach gereinigt und dann wiederverwendet werden, und dass es in der Schweiz noch krasser ist, wo man nicht mal Papier und Karton zusammen wegschmeißen sollte, wo man pro Müllsack bezahlt, aber man die Möglichkeit hat, den Müllsack kleiner zu halten, indem man möglichst viel trennt für alles, was nicht Restmüll ist, dann nichts zahlen muss (wie zusammengeschnürte Zeitungen und Kartons, Glasabfälle in Containern etc.). Und dass das die Schweizer, die es machen, trotzdem aus Überzeugung machen und nicht, weil man pro Müllsack mehr bezahlen müsste, Geld haben sie ja genug.
Der Mann fügte dem dann noch hinzu, dass es in China sogar unerwünscht sei, Mülleimer zu nutzen, denn damit nähme man den Leuten, die den Müll aufsammeln, den Job weg. No comment! :)

7. “Registrator” - die Kamera im Auto. Als 2013 nahe Tscheljabinsk ein Meteorit einschlug und dort massenweise Scheiben zertrümmerte, sah man enorm viele Aufnahmen aus fahrenden Autos heraus. Wieso, fragte man sich in Westeuropa, haben in Russland so viele Leute Kameras in ihren Autos? Auch das Ehepaar von gestern hatte eine solche Kamera im Auto - ein “Registrator”, wie sie ihn nennen. Grund: Wenn es einen Unfall gibt, lasse sich so leichter beweisen, dass man nicht der Schuldige sei - das sei bei der ab und an bestechlichen Polizei und den schwerfälligen Behörden oft der einzige, zumindest jedenfalls der sicherste und einfachste Weg. Wenn ich das jetzt bedenke, hätte ich mir eigentlich die Fotos auf der Fahrt über die gigantische (und schöne) “Zolotoj Most” (goldene Brücke) usw. sparen können. Ich hätte einfach nur Konstantin fragen sollen, ob er mir nachher die Aufnahmen hochlädt…
Es überraschte die Russen jedenfalls, dass solche Autokameras in Westeuropa praktisch niemand benutzt oder dass sie sogar aus Datenschutzgründen verboten sein könnten (ich weiß es nicht).
8. “Woda Gorbatschow” - im Restaurant “Дружба” ist alles inklusive Musik wie in den 80er-Jahren der Sowjetunion. Dort hängt auch ein Porträt von Gorbatschow, vor dem ich mit einem sowjetischen Glas Wasser mit Gorbi anstieß - “Woda (Wasser) Gorbatschow” halt.

9. Die Russen am ersten Abend waren sehr progressiv, auch eine Lesbin war dabei, die nun nach Schottland (ich habe immer Shetland verstanden) gehen wird um zu lernen, wie man Whiskey macht. Sie studiert so etwas wie Brauereiwesen, aber halt für Spirituosen. Sie haben sogar offen gesagt, dass sie Putin nicht mögen.

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